Es reicht ein kurzer Moment, der einen komplett aus dem psychischen Gleichgewicht bringen kann. Gerade ist man noch scherzend mit dem Kollegen auf dem Weg zur Baustelle, als am Stauende plötzlich ein LKW ins Auto kracht. Beide Personen werden eingeklemmt. Der Beifahrer muss hilflos mit ansehen, wie sein schwer verletzter Kollege vor Schmerzen auf seine Ansprache kaum noch reagiert. Schwere Verkehrsunfälle sind auch auf dem Weg zur Arbeit eine ernst zu nehmende Gefahr. Dabei leiden nicht nur die direkt Betroffenen, auch die Seelen der Menschen, die das mit ansehen müssen, können Schaden nehmen. „Wer einen schweren Unfall beobachtet oder versucht zu helfen, steht in der Regel erstmal unter Schock“, erklärt Jella Heptner, Arbeitspsychologin bei der BG ETEM. „Das ist eine kurzfristige und ganz normale Reaktion des Körpers. Er reagiert meist sehr stark, zum Beispiel mit erhöhtem Puls, Schwindel, Schweißausbrüchen oder Muskelzittern. Aber auch eine emotionale Taubheit oder ein völliges Erstarren sind Symptome eines Schocks.“ Diese Reaktionen können ein bis zwei Tage andauern.
Wenn Augenzeuginnen oder Augenzeugen längerfristig psychische Probleme haben, kann das zum Beispiel auf eine posttraumatische Belastungsstörung, Depression oder eine Angststörung in Verbindung mit dem Unfall hindeuten.
Hilfe in Anspruch nehmen
Mögliche Anzeichen können Gereiztheit, mangelnde Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen und Albträume sein. Wer solche Verhaltensweisen an sich bemerkt, sollte umgehend seine Vorgesetzte oder seinen Vorgesetzten informieren und um Unterstützung bitten. Personen, die Zeugin oder Zeuge eines schweren Wege- oder Arbeitsunfalls waren, berichten, wie verstörend solch ein Ereignis sein kann. Auch alle Formen von Gewalt sind potenziell traumatisierend. Körperliche Gewalt, Bedrohung und sexuelle Übergriffe führen häufig nicht nur bei den Opfern zu einer Traumatisierung, sondern auch bei Menschen, die die Situation „nur“ beobachtet haben.
Kurzfristige Therapieplätze
Wer durch die Beobachtung eines schweren traumatisierenden Ereignisses bei der Arbeit selbst psychisch beeinträchtigt ist, hat grundsätzlich Anspruch auf fünf sogenannte probatorische Sitzungen in einer geeigneten psychotherapeutischen Praxis, wenn dies der BG durch den Arbeitgebenden gemeldet wird. Nach den fünf Sitzungen wird in der Regel eine Diagnose gestellt. Ist es medizinisch notwendig, können weitere Sitzungen in Anspruch genommen werden. Das Gute: Es gibt sehr schnelle Hilfe. Innerhalb von einer Woche ab Auftrag kommen die ersten Gespräche zustande.
Gut zu wissen
- Versicherungsrechtlich kann das Erleben eines Extremereignisses am Arbeitsplatz einen Arbeitsunfall darstellen.
- Wer einen Arbeits- oder Wegeunfall beobachtet hat, sollte sich direkt namentlich in die Unfallanzeige mit aufnehmen lassen und das Ereignis auch ins Verbandbuch eintragen. Das ist wichtig, um den Zusammenhang zwischen Unfall und psychischer Beeinträchtigung nachzuweisen.
Betroffene können ihren Sachbearbeiter oder ihre Sachbearbeiterin kontaktieren.
Diese findet man unter www.bgetem.de (Kontakt › Ansprechperson › PLZ-Suche)